• Informierter Leib,  Integrative Therapie,  Kunsttherapie,  Theaterpädagogik

    Der informierte Leib

    Verkörperte Biografie als Ressource szenischen Lernens

    In der theaterpädagogischen Arbeit steht der Körper im Zentrum: Er ist nicht nur Medium des Ausdrucks, sondern auch Resonanzraum für Emotionen, Erinnerungen und Beziehungen. Was oft intuitiv geschieht, lässt sich mit einem Begriff aus der integrativen Therapie präziser fassen: der informierte Leib.

    Leib statt Körper – was meint Petzold?

    Der Psychologe und Therapieforscher Hilarion G. Petzold unterscheidet zwischen dem „Körper“ als biologischer Struktur und dem „Leib“ als gelebter, erfahrener Körper. Der Leib ist mehr als Muskeln, Haut und Skelett – er ist Träger von Erinnerungen, sozialen Prägungen und Emotionen. Petzold spricht deshalb vom „informierten Leib“: Ein Körper, der durch Erziehung, Traumata, Bindungserfahrungen, Bewegungsmuster und kulturelle Normen informiert wurde – im wörtlichen Sinn: geformt durch Information.

    Diese „Leibinformationen“ sind oft präverbal. Sie äußern sich in Haltung, Gestik, Stimme, Bewegungsvermeidungen, Spannungszuständen oder auch in Resonanzmustern auf Nähe, Rhythmus und Berührung. In der therapeutischen Arbeit bedeutet das: Wer heilsame Prozesse anstoßen will, muss nicht nur den Kopf, sondern auch den Leib ansprechen.

    Theaterpädagogik als Erfahrungsraum des Leibes

    Auch in der Theaterpädagogik arbeiten wir mit verkörperten Mustern – ob wir wollen oder nicht. Jede Bewegung auf der Bühne, jede Improvisation bringt die individuelle Leiberfahrung eines Menschen ins Spiel. Genau darin liegt eine enorme Chance: Die Bühne wird zum Experimentierfeld für neue körperliche Erfahrungen, die den informierten Leib verwandeln können.

    Besonders in prozessorientierten Formaten (etwa im sozialen Rollenspiel, in der Biografiearbeit oder im Szenischen Spiel) werden diese verkörperten Informationen sichtbar und bearbeitbar:

    • Eine schüchterne Schülerin, die lernt, sich groß zu machen.
    • Ein wütender Jugendlicher, der eine neue Form des Ausdrucks findet.
    • Eine Gruppe, die im gemeinsamen Körperbild eine neue Form der Zugehörigkeit erfährt.

    All dies sind leibliche Lernprozesse, in denen bisherige Muster gespürt, gespiegelt und transformiert werden. Die Theaterpädagogik wird so zur praxeologischen Form von Embodiment-Arbeit.

    Der Leib als biografischer Resonanzraum

    Was Petzold als „informierten Leib“ beschreibt, spiegelt sich auch in theaterpädagogischen Zugängen wie:

    • der Biografischen Theaterarbeit (z. B. nach Maike Plath),
    • der körperorientierten Improvisation (z. B. im Physical Theatre),
    • oder den leibzentrierten Warm-ups aus dem Bereich des somatischen Lernens.

    Hier geht es darum, nicht nur Rollen zu „spielen“, sondern die eigenen leiblichen Spuren bewusst zu machen, zu nutzen – und im szenischen Spiel neue „Leibinformationen“ zu ermöglichen.

    Was heißt das für die Praxis?

    • Leibwahrnehmung fördern: Warm-ups und Körperreisen sollten Raum für Spüren, Nachsinnen und Austausch geben.
    • Räume für korrigierende Erfahrung schaffen: Theater kann ungewohnte Bewegungen, Rollen oder Positionen ermöglichen – und damit leibliche Erweiterung.
    • Biografie sensibel mitdenken: Jede Körperhaltung hat eine Geschichte. Theaterarbeit darf das würdigen, ohne zu psychologisieren.
    • Multimodalität zulassen: Körper, Stimme, Text, Bewegung, Klang – leibliches Lernen ist vielschichtig.

    Fazit

    Die Idee des „informierten Leibs“ eröffnet der Theaterpädagogik ein tieferes Verständnis dafür, warum Körperarbeit so wirksam ist – nicht nur als Ausdrucksform, sondern als biografische Ressource. Wer theaterpädagogisch arbeitet, bewegt nicht nur Körper, sondern auch Geschichten. Und manchmal – das ist das Schöne – kann ein Spiel auch ein Stück Heilung bedeuten.

    Quelle: https://www.fpi-publikation.de/downloads/?doc=polyloge_Petzold-InformierterLeib-Polyloge-07-2002.pdf

  • Pestalozzi,  Theaterpädagogik

    Mit Kopf, Herz und Hand

    Johann Heinrich Pestalozzi (1746–1827) gilt als einer der großen Klassiker der Pädagogik. Sein Name steht für den Versuch, Bildung zu demokratisieren – als Chance für alle Menschen, nicht nur für eine gebildete Elite. Bis heute prägt sein pädagogischer Ansatz Bildungspläne und Schulpraxis, doch sein Einfluss reicht weit über das klassische Schulwesen hinaus. Auch in der Theaterpädagogik lebt sein ganzheitlicher Bildungsbegriff weiter: Lernen mit Kopf, Herz und Hand.

    Mit diesem berühmten Leitspruch brachte Pestalozzi eine Überzeugung auf den Punkt, die aktueller kaum sein könnte: Bildung muss den ganzen Menschen ansprechen – nicht nur das Denken, sondern auch das Fühlen und das Handeln. Bildung ist mehr als Wissensvermittlung. Sie ist ein Prozess der Menschwerdung.

    Ganzheitliche Bildung – ein bleibendes Ideal

    Bereits 1797 formulierte Pestalozzi in seinen Nachforschungen über den Gang der Natur in der Entwicklung des Menschengeschlechts ein dreigliedriges Menschenbild, das bis heute Gültigkeit besitzt:

    „Also bin ich ein Werk der Natur. Ein Werk meines Geschlechts. Und ein Werk meiner Selbst.“

    In diesem Satz verdichtet sich eine anthropologische Grundhaltung: Der Mensch ist geprägt von seinen Anlagen (Natur), seiner sozialen Umwelt (Geschlecht/Gesellschaft) und seiner Fähigkeit zur Selbstgestaltung. Theaterpädagogik knüpft an dieses Bild an – sie schafft Erfahrungsräume, in denen Kinder, Jugendliche und Erwachsene als ganze Menschen angesprochen werden.

    Denken – Verstehen – Reflektieren: Der „Kopf“

    Pestalozzi war überzeugt: Lernen beginnt mit dem Verstehen. Bildung muss Denkprozesse anregen, nicht bloß Fakten vermitteln. In der Theaterpädagogik zeigt sich dies in der Auseinandersetzung mit Figuren, Geschichten und gesellschaftlichen Themen. Teilnehmende analysieren Szenen, reflektieren über Konflikte und entwickeln eigene dramaturgische Konzepte. Das Theater wird zum Ort des Nachdenkens – über sich selbst und die Welt.

    Fühlen – Mitfühlen – Sich einlassen: Das „Herz“

    Neben dem Denken betonte Pestalozzi das Fühlen als zentrale Dimension der Bildung. Erziehung ohne Mitgefühl, ohne emotionale Entwicklung sei sinnlos. Auch hier bietet die Theaterpädagogik eine Fülle an Möglichkeiten: Durch das Spiel mit Rollen und Perspektiven entsteht Raum für Empathie. Teilnehmende tauchen in emotionale Prozesse ein, erleben sich selbst im Spiegel der Figur und entwickeln ein Gespür für die Gefühle anderer. Theater wird zum sozialen Resonanzraum – ein Erfahrungsfeld emotionaler Intelligenz.

    Handeln – Tun – Gestalten: Die „Hand“

    Schließlich war Pestalozzi davon überzeugt, dass wahres Lernen immer auch körperlich und praktisch sein muss. Bildung braucht Handlung – mit dem eigenen Körper, in Bewegung, im Tun. Theaterpädagogik lebt genau von diesem Prinzip: Improvisationen, szenisches Spiel, Körperarbeit, Stimmeinsatz und das kreative Gestalten mit Requisiten oder Bühnenbildern machen aus Gedanken gelebte Erfahrung. Die Bühne wird zum Lernraum, in dem Theorie und Praxis zusammenkommen.

    Theaterpädagogik als zeitgemäße Bildungspraxis

    In theaterpädagogischen Prozessen greifen diese drei Dimensionen – Denken, Fühlen, Handeln – auf natürliche Weise ineinander. Die Arbeit mit Gruppen fördert nicht nur kognitive Kompetenzen, sondern auch emotionale Reife, soziale Fähigkeiten und kreativen Ausdruck. Damit bietet die Theaterpädagogik ein Gegengewicht zu einer Bildungslandschaft, die sich oft auf Leistung, Standardisierung und Verwertbarkeit beschränkt.

    Pestalozzis ganzheitliches Menschenbild erinnert uns daran, dass Bildung mehr ist als Unterricht: Sie ist Beziehung, Erfahrung und Selbsterkenntnis. Theaterpädagogik schafft genau jene Räume, in denen Menschen sich selbst erleben, ausprobieren und wachsen können – mit Kopf, Herz und Hand.


    Fazit

    Pestalozzis Ideal einer umfassenden Bildung hat nichts an Relevanz verloren. Im Gegenteil: Angesichts der Herausforderungen einer fragmentierten und leistungsorientierten Gesellschaft ist sein Ansatz dringlicher denn je. Theaterpädagogik kann hier anknüpfen – als kreative, soziale und sinnstiftende Praxis, die den ganzen Menschen in den Blick nimmt. Wer Theater spielt, lernt nicht nur Texte – sondern sich selbst.

  • John Dewey,  Theaterpädagogik

    John Dewey und die Theaterpädagogik

    John Dewey (1859–1952) zählt zu den wichtigsten Vordenkern moderner Bildung – und seine Thesen sind erstaunlich aktuell für die Theaterpädagogik. Wer heute mit theaterpädagogischen Methoden arbeitet, knüpft oft unbewusst an Deweys Denkweise an: Lernen durch Erfahrung, Teilhabe an Gemeinschaft, gestalterisches Tun und das Zusammenspiel von Denken und Handeln. In diesem Artikel zeige ich, wie Deweys zentrale Gedanken das Fundament einer zeitgemäßen Theaterpädagogik bilden können.


    1. Lernen durch Erfahrung – „Learning by doing“ auf der Bühne

    Dewey betonte, dass Lernen nicht durch Belehrung geschieht, sondern durch aktive Auseinandersetzung mit der Welt. Theaterpädagogik lebt genau davon: Kinder, Jugendliche oder Erwachsene begeben sich in Rollen, improvisieren, erleben Situationen körperlich und emotional. Das ist mehr als kognitive Bildung – es ist ganzheitliches Lernen mit Körper, Herz und Verstand.

    Theaterpädagogischer Bezug: Rollenspiel, szenisches Spiel, Forumtheater oder Biografisches Theater sind praktische Umsetzungen von Deweys Erfahrungslernen. Teilnehmende „durchleben“ soziale Situationen – und entwickeln so neue Perspektiven, Empathie und Ausdrucksmöglichkeiten.


    2. Der Mensch als handelndes, gestaltendes Wesen

    Dewey sah den Menschen nicht als passives Objekt von Belehrung, sondern als aktives Subjekt, das durch eigenes Tun Welt gestaltet. Theaterpädagogik ermutigt Menschen, ihre Umwelt nicht nur zu reflektieren, sondern sie spielend zu verändern – im Schutzraum des Spiels.

    Theaterpädagogischer Bezug: In Improvisation, kollektiver Stückentwicklung oder politischem Theater werden Teilnehmerinnen zu Autorinnen – sie entwerfen, gestalten und verändern Szenen. Das stärkt Selbstwirksamkeit und Kreativität.


    3. Schule als Erfahrungsraum demokratischer Praxis

    Dewey verstand Demokratie nicht nur als politische Ordnung, sondern als soziale Lebensform, die auf Dialog, Kooperation und Teilhabe basiert. Theaterpädagogik schafft Räume, in denen genau das geübt wird: Konflikte aushalten, Kompromisse finden, sich ausdrücken, andere verstehen.

    Theaterpädagogischer Bezug: In theaterpädagogischen Prozessen wird nicht nur Theater „gespielt“, sondern auch Demokratie „geübt“ – sei es in Gruppenentscheidungen, bei Rollenverteilungen oder in der gemeinsamen Reflexion nach einer Aufführung.


    4. Kunst als alltägliche Erfahrung – nicht elitär, sondern lebensnah

    In seinem Werk Art as Experience kritisierte Dewey die Trennung von Kunst und Alltag. Für ihn war Kunst nicht elitäre Hochkultur, sondern Ausdruck verdichteter Lebenserfahrung. Theaterpädagogik teilt diesen Anspruch: Sie macht Kunst zugänglich, partizipativ und sinnlich erfahrbar – jenseits von professionellen Bühnen.

    Theaterpädagogischer Bezug: In Schulen, sozialen Einrichtungen, Jugendzentren oder der Erwachsenenbildung ist Theaterpädagogik oft der erste Kontakt zur Kunst – als körperlich-emotionale Erfahrung und als Möglichkeit, sich selbst und andere neu zu erleben.


    5. Bildung als gemeinsamer Prozess – nicht als Einbahnstraße

    Dewey kritisierte autoritäre Lehrformen und plädierte für eine pädagogische Beziehung auf Augenhöhe. Theaterpädagog*innen arbeiten nicht „am“ Menschen, sondern mit ihm – in einem wechselseitigen Prozess, der Improvisation, Vertrauen und Offenheit erfordert.

    Theaterpädagogischer Bezug: In theaterpädagogischen Settings ist die Leitung keine allwissende Instanz, sondern Begleiterin, Impulsgeberin, manchmal auch Mitspieler*in. Die Gruppe gestaltet gemeinsam – und genau das ist zutiefst demokratische, lebendige Bildung.


    Fazit: Dewey spricht die Sprache der Theaterpädagogik

    Auch wenn Dewey selbst kein Theaterpädagoge war – seine Ideen durchdringen die Grundhaltung theaterpädagogischen Arbeitens.
    Erfahrung statt Belehrung. Partizipation statt Passivität. Kunst als gelebte Praxis. Lernen als Erleben und Gestalten.

    In einer Zeit, in der Bildung häufig auf Prüfungsformate und Kompetenzraster reduziert wird, bietet die Theaterpädagogik einen Erfahrungsraum, in dem Deweys Vision wieder lebendig wird: Eine Bildung, die den ganzen Menschen erreicht – und das Leben selbst in Szene setzt.

  • Integrative Therapie,  Kunsttherapie,  Tree of Science

    Der „Tree of Science“ der Integrativen Therapie

    Die Integrative Therapie, maßgeblich geprägt durch Hilarion Petzold, ist ein breit angelegter Therapieansatz, der verschiedene wissenschaftliche Disziplinen, therapeutische Schulen und Praxismodelle miteinander verknüpft. Ein zentrales Ordnungsmodell innerhalb dieses Ansatzes ist der sogenannte „Tree of Science“, der als Strukturierungshilfe für Theorie und Praxis der Integrativen Therapie dient. Die hier gezeigte Grafik visualisiert dieses Modell in drei großen Ebenen: Metatheorie, realexplikative Theorien und Praxeologie.

    1. Metatheorie: Die Wurzeln der therapeutischen Praxis

    Der erste Bereich des Tree of Science umfasst die metatheoretische Fundierung. Hier geht es um grundlegende wissenschaftsphilosophische, erkenntnistheoretische und anthropologische Voraussetzungen der Therapie.

    Zentrale Disziplinen:

    • Erkenntnistheorie
    • Wissenschaftstheorie
    • Anthropologie
    • Gesellschaftstheorie
    • Ethik

    Diese Wurzeln liefern das Fundament für eine verantwortungsvolle, menschenbildbezogene und kontextbewusste Therapie. In der Integrativen Therapie geht es nicht nur um Technik, sondern immer auch um die Frage: Was ist der Mensch?  Und: Was heißt es, ihn in seiner Lebenswirklichkeit zu verstehen und zu begleiten?

    2. Realexplikative Theorien: Der theoretische Stamm

    Die zweite Ebene beschäftigt sich mit Theorien, die das Erleben, Verhalten und die Entwicklung des Menschensowie psychische Störungen und Heilungsprozesse erklären.

    Beispiele realexplikativer Theorien:

    • Allgemeine Theorie der Therapie
    • Persönlichkeitstheorien
    • Entwicklungstheorien
    • Theorien zu Gesundheit und Krankheit
    • Spezielle Therapietheorien

    Diese Theorien stellen gewissermaßen den „Stamm“ des Baumes dar – sie transportieren die metatheoretischen Grundlagen in ein konkretes Verständnis menschlicher Prozesse und ermöglichen es, Therapie zielgerichtet und evidenzbasiert zu gestalten.

    3. Praxeologie: Die Äste und Früchte

    Der dritte Bereich ist der anwendungsbezogene Teil: die Praxeologie – also die Lehre vom praktischen Handeln.

    Wichtige Bestandteile:

    • Prozesstheorie (Wie verlaufen therapeutische Prozesse?)
    • Interventionslehre (Welche Maßnahmen sind hilfreich?)
    • Methodendiskussion (Welche Verfahren passen wann?)
    • Theorien der Institutionen und Praxisfelder (In welchen Kontexten findet Therapie statt?)

    Hier wird das Wissen aus Metatheorie und realexplikativer Theorie in konkretes Handeln übersetzt. Die Integrative Therapie zeichnet sich durch MultimodalitätMethodenvielfalt und kontextuelle Sensibilität aus. Es geht um den Einsatz von kreativen Medien, Körperarbeit, Gespräch, sozio-therapeutischen Settings und mehr – jeweils passend zur Person und Situation.


    Fazit: Denken in Ebenen, Handeln mit Tiefe

    Der „Tree of Science“ ist mehr als ein Diagramm – er ist ein Denkmodell, das die Komplexität therapeutischen Handelns sichtbar macht. Die Integrative Therapie bleibt dadurch kein eklektischer Flickenteppich, sondern wird zu einem reflektierten, ethisch fundierten und methodisch reichhaltigen Ansatz, der dem Menschen in seiner Vielschichtigkeit gerecht werden will.


    Quellen:

    • Petzold, Hilarion (1990): Die neuen Kreativitätstherapien, Handbuch der Kunsttherapie Band II, Junfermann Verlag, S. 589f.
  • Allgemein,  Ästhetik,  Theaterpädagogik

    Ausweitung der Wahrnehmung – Ästhetik, Theater und die doppelte Natur des Menschen (Teil 1)

    Vom Schönen zum Sinnlichen – Eine kleine Geschichte der Ästhetik

    Wenn wir heute im theaterpädagogischen Kontext von „ästhetischer Erfahrung“ sprechen, ist damit weit mehr gemeint als nur das „Schöne“ im klassischen Sinne. Der Begriff Ästhetik hat eine lange und bewegte Geschichte – und genau diese Entwicklung hilft uns, das pädagogische Potenzial von Theaterarbeit besser zu verstehen.

    Vormoderne: Ordnung, Maß und metaphysische Schönheit

    Der Ursprung des Wortes liegt im Altgriechischen: αἴσθησις (aísthēsis) bedeutet „Wahrnehmung“ oder „Empfindung“. Schon in der Antike beschäftigten sich Denker wie Platon und Aristoteles mit dem Schönen, verstanden als Ausdruck von HarmonieMaß und innerer Ordnung. Doch dabei war Ästhetik noch nicht als eigenständige Disziplin ausgebildet – sie war eingebettet in ethische und metaphysische Fragen: Was ist gut, wahr – und schön? Schönheit war Teil einer göttlich-kosmischen Ordnung, kein autonomes Erfahrungsfeld.

    Moderne: Subjektivität, Bildung und Kunst als Selbsterkenntnis

    18. Jahrhundert: Geburt einer Disziplin

    Erst mit der Aufklärung beginnt sich Ästhetik als eigenständige philosophische Disziplin zu entwickeln. Alexander Gottlieb Baumgarten definierte sie als „Lehre von der sinnlichen Erkenntnis“. Damit verschob sich der Blick: Nicht nur das Denken, auch das Fühlen und Wahrnehmen wurden philosophisch ernst genommen. Die Subjektivität des Menschen, sein sinnliches Verhältnis zur Welt, rückte ins Zentrum.

    Klassik & Romantik: Ästhetik als Bildungskraft

    Spätestens mit Friedrich Schillers berühmten „Briefen zur ästhetischen Erziehung des Menschen“ (1795) wurde klar: Ästhetische Erfahrung hat Bildungskraft. Sie verbindet Sinnlichkeit mit Vernunft, öffnet innere Räume, in denen Menschen wachsen, sich ausdrücken und entwickeln können – ein Gedanke, der später zentrale Bedeutung für die Theaterpädagogik gewinnen wird.

    Im Zentrum steht dabei das sogenannte „Reich des Scheins“ – ein Raum des Spiels, der Kunst, der Darstellung. Nicht unwirklich, sondern als Freiraum, in dem sich das Menschsein in seiner doppelten Natur entfalten kann: Sinnlich und vernünftig, triebhaft und moralisch. Der Mensch, so Schiller, ist „zur Freiheit berufen“ – doch die reine Vernunft allein vermag ihn nicht dorthin zu führen. Der „sittliche Vernunftstaat“, so seine Kritik an Kant, scheitert am unüberbrückten Antagonismus zwischen Pflicht und Trieb. Erst die ästhetische Erfahrung bringt diese Gegensätze ins Schwingen – nicht durch Unterdrückung, sondern durch spielerische Entfaltung.

    Das Verhältnis von Kunst und Pädagogik ist bei Schiller deshalb nicht funktional, sondern wechselseitig begründend: Kunst bildet, indem sie nicht belehrt, sondern bewegt. Pädagogik wird zur ästhetischen Aufgabe – nicht als Anleitung zum guten Leben, sondern als Eröffnung von Erfahrungsräumen, in denen Menschen sich selbst gestalten lernen.

    „Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“

    Gerade im Theater – wo Körper, Gefühl, Sprache, Imagination und soziale Interaktion zusammenspielen – wird das sichtbar, was Schiller „ästhetische Freiheit“ nennt: ein Raum, in dem Menschen nicht auf Rollen, Funktionen oder Zwecke reduziert werden, sondern als ganze, fühlende, denkende, handelnde Wesen in Erscheinung treten. Ein Raum, in dem sich Bildung nicht als Anpassung, sondern als Selbstwerdung im Spiel vollzieht.

    19. Jahrhundert: Die Kunst tritt ins Zentrum

    Im 19. Jahrhundert – dem Hochzeitalter der idealistischen Moderne – wurde Ästhetik zunehmend als Kunstphilosophie verstanden. Für Hegel war Kunst der sinnliche Ausdruck des Geistes – also einer geschichtlichen, kulturellen Entwicklung des Denkens. Ästhetik wurde zur Bühne, auf der sich die Menschheit selbst zeigt und erkennt. Kunst ist in dieser Sicht ein Medium der Welt- und Selbsterkenntnis – getragen von geschichtsphilosophischem Ernst.


    Ausblick: Was heißt das für die Theaterpädagogik?

    In der Theaterpädagogik spielt Ästhetik heute eine zentrale Rolle – nicht im Sinne eines bestimmten Stils oder Schönheitsideals, sondern als pädagogische Haltung, als Zuwendung zur sinnlichen, leiblichen, performativen Erfahrung.

  • Allgemein,  Improtheater,  Schule,  Theaterpädagogik

    Impro versus Schultheateraufführung

    Wir kennen sie alle noch aus unserer Schulzeit: die altehrwürdige Schultheateraufführung. Eine Handvoll blasser Schülerinnen und Schüler vergreift sich, häufig angefeuert von einem überambitionierten Deutschlehrer, an einen der beliebten Theaterklassiker. Bert Brecht, Schiller und Büchner stehen seit Jahrzehnten auf der Beliebtheitsskala der Germanisten ganz hoch im Kurs.

    Meist wird der wohlgesonnene Zuschauer Zeuge, wie die Jungschauspieler mehr oder weniger teilnahmslos die viel zu langen, häufig noch gereimten Texte aufsagen und dabei völlig vergessen, dass sie auch auf der Bühne einen Körper besitzen, den sie ins Spiel einbeziehen können. Während sich manches stolze Elternteil gedanklich schon die glanzvolle Zukunft ihres Sprösslings als Theaterschauspieler ausmalt, fragt sich ein dort eher zufällig anwesender Zeuge des Schauspiels mitunter, warum es eigentlich immer der „Gute Mensch von Sezuan“ sein muss, mit dem die 13-jährigen Schüler traktiert und letztendlich überfordert werden.
    Und während Shen Te noch den berühmten Satz „Oh ihr Unglücklichen! Euerm Bruder wird Gewalt angetan, und ihr kneift die Augen zu! Der Getroffene schreit laut auf, und ihr schweigt?“ rezitiert, grübelt der geneigte Zuschauer vielleicht darüber nach, ob denn nicht das „Improtheater“, das ihm vor einigen Tagen auf einer Kleinkunstbühne so vortrefflich unterhalten hat, viel geeigneter für Schauspielanfänger sei.

    Viele Gründe scheinen dafür zu sprechen: Weder müssen die Spieler seitenlange Texte auswendig lernen, noch sich mit den schwierigen und mitunter angestaubten Gedanken der Theaterdichter auseinandersetzen. Auch aufwändige Kostüme und Kulissen werden obsolet. Der Aufwand reduziert sich auf ein Minimum. Zudem wird noch die Spontanität trainiert – eine Fähigkeit, die in unserer Gesellschaft bekanntlich immer wichtiger wird! Die ideale Schauspielform für Theaterneulinge also?
    Aus meiner Sicht ist da viel Wahres dran und doch spiegelt es nur die halbe Wahrheit wieder. Mit der Methode der „Improvisation“ wird an Schauspielschulen und während der Theaterproben seit Jahrzehnten erfolgreich gearbeitet. Die Spieler sollen zu einem authentischen Ausdruck finden, d.h. erst einmal den Text vergessen und die Rolle erspielen!

    Das ist nach wie vor genial und sicherlich notwendig. Der Theatererneuerer Keith Johnstone hat dies als Theaterform ausgebaut und als „Theatersport“ weltweit erfolgreich vermarktet.
    Seitdem können wir vielerorts Theatersportaufführungen bewundern und dürfen – im Idealfall – einen gelungenen und unterhaltsamen Theaterabend erleben. Meist wird dabei viel gelacht – die nachdenklichen Spielszenen bleiben allerdings die Ausnahme. Schließlich will man den vom Alltag gestressten Zuschauer nicht mit zu anspruchsvollen Fragen und vielschichtigen Gedanken verwirren.
    So betrachten Theatermacher die Improvisation auch eher als eine Methode, die bei der Erarbeitung einer Theaterinszenierung Anwendung findet. Sicherlich würden sie diese selbst kaum als „Improtheater“ bezeichnen, noch dies für erstrebenswert halten.

    Gibt es also noch mehr als… Improvisationstheater? Ja, es gibt, antwortet da der leidenschaftliche Theatermensch. Modernes Theater versteht sich schließlich kaum noch als reines „Literaturtheater“. Der Text dominiert nicht mehr das Theatergeschehen, es ist zu einem Element von vielen geworden. Auch müssen es nicht mehr die vom Dichter in Verse gepressten Dialoge sein, die das Publikum in Ekstase versetzen. Moderne Theatermacher sehen sich eher als DJs, die aus Nachrichtentexten, O-Tönen von Zeitzeugen und anderen literarischen Erzeugnissen eine Textcollage erschaffen, die gleichberechtigt zu Videoeinspielungen, Tanzchoreographien und musikalischen Livedarbietungen steht. Bekannt geworden ist diese Spielweise u.a. durch die Theatergruppe Rimini Protokoll, die zu gesellschaftlich relevanten Themen sogenannte Alltagsspezialisten, d.h. Laiendarsteller auf die Bühne geholt haben.
    Es bleibt also viel zu entdecken! Das europäische Theater blickt auf eine über zweitausendjährige Tradition zurück, die einstmals bei den alten Griechen begann. Wir verfügen also über ein nahezu unerschöpfliches Reservoir aus Ideen, Geschichten und Bildern. Zudem überflutet uns das Internetzeitalter tagtäglich mit neuen Eindrücken, die verarbeitet, durchlebt und getanzt werden wollen. Es gibt also viel zu erzählen und zu zeigen, fangen wir an!

  • Integrative Therapie,  Kunsttherapie

    Integrative Kunsttherapie nach Hilarion Petzold

    Ein ganzheitlicher Weg zur Heilung

    Die Integrative Therapie, wie sie von Hilarion Petzold seit den 1970er Jahren entwickelt wurde, versteht sich als ein mehrdimensionales, humanistisches Therapiekonzept, das verschiedene therapeutische Ansätze miteinander verbindet – darunter psychodynamische, verhaltenstherapeutische, körperbezogene, systemische, gestalt- und existenzphilosophische Elemente. Im Zentrum steht die Vorstellung des Menschen als leiblich-seelisch-geistige Einheit, eingebettet in soziale, kulturelle und ökologische Kontexte.

    Petzold spricht in diesem Zusammenhang vom „Mehrperspektivenansatz“: Symptome werden nicht isoliert betrachtet, sondern im Zusammenhang mit der Biografie, den Lebensbedingungen, der Körpererfahrung und den sozialen Beziehungen verstanden. Der Mensch ist dabei nicht nur Objekt der Behandlung, sondern aktiver Mitgestalter seines Entwicklungsprozesses.


    Kunsttherapie als Zugang zur Tiefenschicht des Selbst

    Innerhalb der Integrativen Therapie nimmt die Kunsttherapie eine besondere Rolle ein. Sie wird nicht nur als Methode „zur Abwechslung“ eingesetzt, sondern als eigenständige, multimodale Ausdrucksform, die Menschen helfen kann, sich jenseits der Sprache zu erfahren, zu erinnern und zu verändern.

    Künstlerisches Tun – sei es Malen, Modellieren, Collagieren oder Darstellen – erlaubt den Zugang zu emotionalen, verkörperten oder verdrängten Inhalten, die sich sprachlich oft nur schwer ausdrücken lassen. In der integrativen Perspektive wird Kunsttherapie daher als eine Form der ästhetischen Erfahrung und Sinnbildung verstanden, die über die Werke hinaus auf das gesamte Lebensgefühl des Menschen wirken kann.

    Einige zentrale Merkmale der kunsttherapeutischen Arbeit im Sinne Petzolds:

    • Erfahrungsorientierung: Nicht das „Produkt“, sondern das Tun steht im Vordergrund.
    • Multisensorik: Das kreative Handeln spricht Körper, Sinne und Imagination zugleich an.
    • Narrative Integration: Bilder und Gestaltungen dienen als Erzählanlass, um biografische Themen zu reflektieren und neue Sichtweisen zu entwickeln.
    • Stärkung von Ressourcen: Die kreative Arbeit kann Selbstwirksamkeit erfahrbar machen und emotionale Kraftquellen freilegen.
    • Verkörperung von inneren Anteilen: Über Farben, Formen oder Materialien können innere Konflikte, Bedürfnisse oder Rollen sichtbar gemacht und gestaltet werden.

    Zwischen Kunst und Therapie: Ein Raum für Entwicklung

    Petzold bezeichnet Kunst als eine „transformative Kraft“: Sie wirkt nicht linear, sondern sinnlich, symbolisch und prozesshaft. In der Integrativen Therapie entsteht dadurch ein Raum, in dem psychische, soziale und leibliche Prozesse in Bewegung kommen. Besonders in der Arbeit mit Kindern, Jugendlichen oder traumatisierten Menschen kann Kunsttherapie Brücken bauen, wo Worte fehlen oder nicht genügen.

    Im therapeutischen Setting eröffnet das kreative Gestalten:

    • einen sicheren, spielerischen Raum zur Selbsterkundung,
    • die Möglichkeit, Widerstände sanft zu umspielen,
    • neue Wege der emotionalen Integration und
    • die Erfahrung von ästhetischer Kohärenz – einem Gefühl von Stimmigkeit, das tief berühren und stabilisieren kann.

    Fazit

    Die Kunsttherapie innerhalb der Integrativen Therapie nach Petzold ist weit mehr als ein kreatives „Add-on“. Sie ist ein eigenständiger, kraftvoller Weg, seelische Prozesse zu verstehen, zu verändern und in die Welt zu bringen. Sie hilft Menschen, ihre Lebensgeschichte nicht nur zu erzählen – sondern neu zu gestalten.

  • Figurentheater,  Schule,  Theaterpädagogik

    Figurentheater und Schule

    Figurentheater in der Schule? Da denken viele erst einmal an Kasperle und Handpuppen, an lustige Nachmittage im Stuhlkreis oder vielleicht an eine Bastelaktion mit Socken. Doch Figurentheater kann weit mehr sein als Unterhaltung. Es ist ein kraftvolles, niedrigschwelliges Werkzeug, das Kinder in ihrer Entwicklung stärkt, Perspektivwechsel ermöglicht – und dabei auch noch Spaß macht.

    Warum Figuren wirken

    Puppen sprechen eine andere Sprache. Sie sind Stellvertreter, Projektionsfläche, Freund und Spiegel zugleich. In ihrer scheinbaren Einfachheit liegt ein Zauber, der Türen öffnet – besonders bei Kindern, die sich sonst vielleicht schwer tun, über Gefühle oder Konflikte zu sprechen. Eine Figur kann trösten, provozieren, Fragen stellen oder Widerspruch üben – ohne dass sich ein Kind direkt angegriffen fühlt.

    Figuren sind Vermittler zwischen Innen- und Außenwelt. Sie schaffen emotionale Distanz – und gerade dadurch ermöglichen sie Nähe.

    Einsatzmöglichkeiten im Schulalltag

    Figurentheater lässt sich vielseitig im schulischen Kontext integrieren – ohne dass man gleich eine große Bühne braucht. Einige Beispiele:

    • Sozialkompetenztraining: Streitfiguren, die typische Konflikte nachspielen, bieten einen Einstieg in Gespräche über Gefühle, Grenzen und Lösungen. Kinder erleben sich selbst in neuen Rollen – mal als Vermittler, mal als Täter, mal als Opfer.
    • Sprachförderung: Scheue Kinder, die sich im Unterricht kaum trauen, erblühen hinter einer Puppe. Plötzlich sprechen sie laut, deutlich und mit Freude – denn „die Figur spricht“.
    • Phantasie und Ausdruck: Figuren regen zum Erzählen an. Sie helfen beim Erfinden eigener Geschichten und bieten gleichzeitig eine Struktur für Kinder, die sich im freien Spiel schnell verlieren.
    • Rituale und Übergänge: Eine Puppe kann den Schulalltag strukturieren, z. B. als Begrüßungsfigur, Geschichtenerzähler oder „Fragenträger“ am Wochenanfang.

    Erste Schritte – auch ohne Theaterausbildung

    Man muss kein professioneller Puppenspieler sein, um Figurentheater im Unterricht oder in der Schulsozialarbeit einzusetzen. Wichtig ist vor allem die Haltung: Spielfreude, Offenheit und Mut zur Improvisation. Oft reichen schon einfache Materialien:

    • Sockenfiguren, Stabpuppen, Fingerpuppen oder selbst gebastelte Figuren aus Holzlöffeln
    • Ein kleiner Paravent, ein Stuhl mit Tuch oder eine Kiste als Bühne
    • Ein Thema, das die Kinder bewegt: Freundschaft, Angst, Mut, Gerechtigkeit…

    Was Kinder durch Figurenspiel lernen

    • Ich kann mich zeigen – auch ohne Worte.
    • Ich darf Rollen ausprobieren.
    • Ich lerne, mich in andere hineinzuversetzen.
    • Ich erfahre, dass es viele Sichtweisen gibt.
    • Ich entwickle Ideen, wie man mit Konflikten umgehen kann.

    Mein Tipp aus der Praxis

    Fang klein an. Lass die Kinder einer Figur einen Namen geben. Frag: Was mag sie? Was fürchtet sie? Was wünscht sie sich? Schnell entsteht daraus ein lebendiges Wesen, das mit in den Schulalltag einzieht – und oft bleibt es länger, als man denkt.


    Figurentheater in der Schule ist kein Luxus, sondern eine Einladung zur Menschlichkeit. Es verbindet Kopf, Herz und Hand – und genau das brauchen Kinder heute mehr denn je.

  • Allgemein,  Schule,  Theaterpädagogik

    Kreatives Theaterspiel im Unterricht – Schule lebendig gestalten

    Was hat Theater eigentlich mit Schule zu tun? 

    Für viele ist Theater in der Schule gleichbedeutend mit einstudierten Märchen, großen Aufführungen und Lampenfieber kurz vor der Premiere. Doch wer genauer hinsieht, erkennt: Theaterpädagogik kann viel mehr. Sie ist ein Werkzeugkoffer für Kommunikation, Beziehung und Entwicklung – besonders im schulischen Kontext.

    Ich erlebe immer wieder, wie sehr Kinder davon profitieren, wenn sie in andere Rollen schlüpfen dürfen, sich ausdrücken können – ohne bewertet zu werden. Theater in der Schule bedeutet nicht zwangsläufig eine große Bühne, sondern beginnt oft im Kleinen: mit einem gemeinsamen Spiel, einem Perspektivwechsel, einem mutigen „Ich trau mich!“.

    Was bringt Theaterpädagogik im Schulalltag?

    • Förderung sozialer Kompetenzen: Kinder lernen, zuzuhören, sich abzugrenzen, in Gruppen zu agieren und Verantwortung zu übernehmen.
    • Stärkung des Selbstwerts: Wer auf der Bühne steht, zeigt sich – und wird gesehen. Gerade für stille oder unsichere Kinder kann das empowernd sein.
    • Perspektivwechsel und Empathie: Im Spiel erleben Kinder, wie es sich anfühlt, jemand anderes zu sein. Das schafft Verständnis und baut Vorurteile ab.
    • Sprachförderung und Ausdruck: Theater macht Sprache lebendig – besonders wichtig für Kinder mit Sprachbarrieren.
    • Kreativität im Schulalltag: Wo sonst ist Raum für Fantasie, Quatsch, Ausprobieren – jenseits von richtig und falsch?

    Keine große Inszenierung nötig

    Nicht jede theaterpädagogische Arbeit muss in einer Aufführung münden. Im Gegenteil: Manchmal wirkt das Spiel im geschützten Raum viel intensiver. Kleine Szenen, Rollenspiele, Standbilder, Körpersprache – all das kann in einer Unterrichtsstunde stattfinden, ganz ohne Kulissen oder auswendig gelernte Texte.

    In meinem Ansatz verbinde ich theaterpädagogische Übungen oft mit Themen aus dem Schulalltag: Streit, Freundschaft, Angst, Mut, Anderssein. Gemeinsam entwickeln wir Szenen, manchmal auch einfach nur Stimmungen, in denen die Kinder erleben: Ich darf sein. Ich darf spielen. Ich darf gestalten.

    Theater als Raum der Möglichkeiten

    In einer Welt, die immer schneller, digitaler und leistungsorientierter wird, braucht Schule Erfahrungsräume, die nicht vermessen und benotet werden. Theaterpädagogik bietet solche Räume. Sie schafft Möglichkeiten zur Selbstwahrnehmung, zum Perspektivwechsel – und zur Begegnung.

    Ich lade dich ein, mit mir diesen Weg weiterzudenken: Wie kann Theaterpädagogik im Schulalltag verankert werden? Welche Methoden funktionieren auch ohne Fachraum und große Bühne? Und was brauchen Kinder heute, um mutig durchs Leben zu gehen?