Was der „Tree of Science“ über die Integrative Therapie verrät

Die Integrative Therapie, maßgeblich geprägt durch Hilarion Petzold, ist ein breit angelegter Therapieansatz, der verschiedene wissenschaftliche Disziplinen, therapeutische Schulen und Praxismodelle miteinander verknüpft. Ein zentrales Ordnungsmodell innerhalb dieses Ansatzes ist der sogenannte „Tree of Science“, der als Strukturierungshilfe für Theorie und Praxis der Integrativen Therapie dient. Die hier gezeigte Grafik visualisiert dieses Modell in drei großen Ebenen: Metatheorie, realexplikative Theorien und Praxeologie.
1. Metatheorie: Die Wurzeln der therapeutischen Praxis
Der erste Bereich des Tree of Science umfasst die metatheoretische Fundierung. Hier geht es um grundlegende wissenschaftsphilosophische, erkenntnistheoretische und anthropologische Voraussetzungen der Therapie.
Zentrale Disziplinen:
- Erkenntnistheorie
- Wissenschaftstheorie
- Anthropologie
- Gesellschaftstheorie
- Ethik
Diese Wurzeln liefern das Fundament für eine verantwortungsvolle, menschenbildbezogene und kontextbewusste Therapie. In der Integrativen Therapie geht es nicht nur um Technik, sondern immer auch um die Frage: Was ist der Mensch? Und: Was heißt es, ihn in seiner Lebenswirklichkeit zu verstehen und zu begleiten?
2. Realexplikative Theorien: Der theoretische Stamm
Die zweite Ebene beschäftigt sich mit Theorien, die das Erleben, Verhalten und die Entwicklung des Menschensowie psychische Störungen und Heilungsprozesse erklären.
Beispiele realexplikativer Theorien:
- Allgemeine Theorie der Therapie
- Persönlichkeitstheorien
- Entwicklungstheorien
- Theorien zu Gesundheit und Krankheit
- Spezielle Therapietheorien
Diese Theorien stellen gewissermaßen den „Stamm“ des Baumes dar – sie transportieren die metatheoretischen Grundlagen in ein konkretes Verständnis menschlicher Prozesse und ermöglichen es, Therapie zielgerichtet und evidenzbasiert zu gestalten.
3. Praxeologie: Die Äste und Früchte
Der dritte Bereich ist der anwendungsbezogene Teil: die Praxeologie – also die Lehre vom praktischen Handeln.
Wichtige Bestandteile:
- Prozesstheorie (Wie verlaufen therapeutische Prozesse?)
- Interventionslehre (Welche Maßnahmen sind hilfreich?)
- Methodendiskussion (Welche Verfahren passen wann?)
- Theorien der Institutionen und Praxisfelder (In welchen Kontexten findet Therapie statt?)
Hier wird das Wissen aus Metatheorie und realexplikativer Theorie in konkretes Handeln übersetzt. Die Integrative Therapie zeichnet sich durch Multimodalität, Methodenvielfalt und kontextuelle Sensibilität aus. Es geht um den Einsatz von kreativen Medien, Körperarbeit, Gespräch, sozio-therapeutischen Settings und mehr – jeweils passend zur Person und Situation.
Fazit: Denken in Ebenen, Handeln mit Tiefe
Der „Tree of Science“ ist mehr als ein Diagramm – er ist ein Denkmodell, das die Komplexität therapeutischen Handelns sichtbar macht. Die Integrative Therapie bleibt dadurch kein eklektischer Flickenteppich, sondern wird zu einem reflektierten, ethisch fundierten und methodisch reichhaltigen Ansatz, der dem Menschen in seiner Vielschichtigkeit gerecht werden will.
Quellen:
- Petzold, Hilarion (1990): Die neuen Kreativitätstherapien, Handbuch der Kunsttherapie Band II, Junfermann Verlag, S. 589f.