• John Dewey,  Theaterpädagogik

    John Dewey und die Theaterpädagogik

    John Dewey (1859–1952) zählt zu den wichtigsten Vordenkern moderner Bildung – und seine Thesen sind erstaunlich aktuell für die Theaterpädagogik. Wer heute mit theaterpädagogischen Methoden arbeitet, knüpft oft unbewusst an Deweys Denkweise an: Lernen durch Erfahrung, Teilhabe an Gemeinschaft, gestalterisches Tun und das Zusammenspiel von Denken und Handeln. In diesem Artikel zeige ich, wie Deweys zentrale Gedanken das Fundament einer zeitgemäßen Theaterpädagogik bilden können.


    1. Lernen durch Erfahrung – „Learning by doing“ auf der Bühne

    Dewey betonte, dass Lernen nicht durch Belehrung geschieht, sondern durch aktive Auseinandersetzung mit der Welt. Theaterpädagogik lebt genau davon: Kinder, Jugendliche oder Erwachsene begeben sich in Rollen, improvisieren, erleben Situationen körperlich und emotional. Das ist mehr als kognitive Bildung – es ist ganzheitliches Lernen mit Körper, Herz und Verstand.

    Theaterpädagogischer Bezug: Rollenspiel, szenisches Spiel, Forumtheater oder Biografisches Theater sind praktische Umsetzungen von Deweys Erfahrungslernen. Teilnehmende „durchleben“ soziale Situationen – und entwickeln so neue Perspektiven, Empathie und Ausdrucksmöglichkeiten.


    2. Der Mensch als handelndes, gestaltendes Wesen

    Dewey sah den Menschen nicht als passives Objekt von Belehrung, sondern als aktives Subjekt, das durch eigenes Tun Welt gestaltet. Theaterpädagogik ermutigt Menschen, ihre Umwelt nicht nur zu reflektieren, sondern sie spielend zu verändern – im Schutzraum des Spiels.

    Theaterpädagogischer Bezug: In Improvisation, kollektiver Stückentwicklung oder politischem Theater werden Teilnehmerinnen zu Autorinnen – sie entwerfen, gestalten und verändern Szenen. Das stärkt Selbstwirksamkeit und Kreativität.


    3. Schule als Erfahrungsraum demokratischer Praxis

    Dewey verstand Demokratie nicht nur als politische Ordnung, sondern als soziale Lebensform, die auf Dialog, Kooperation und Teilhabe basiert. Theaterpädagogik schafft Räume, in denen genau das geübt wird: Konflikte aushalten, Kompromisse finden, sich ausdrücken, andere verstehen.

    Theaterpädagogischer Bezug: In theaterpädagogischen Prozessen wird nicht nur Theater „gespielt“, sondern auch Demokratie „geübt“ – sei es in Gruppenentscheidungen, bei Rollenverteilungen oder in der gemeinsamen Reflexion nach einer Aufführung.


    4. Kunst als alltägliche Erfahrung – nicht elitär, sondern lebensnah

    In seinem Werk Art as Experience kritisierte Dewey die Trennung von Kunst und Alltag. Für ihn war Kunst nicht elitäre Hochkultur, sondern Ausdruck verdichteter Lebenserfahrung. Theaterpädagogik teilt diesen Anspruch: Sie macht Kunst zugänglich, partizipativ und sinnlich erfahrbar – jenseits von professionellen Bühnen.

    Theaterpädagogischer Bezug: In Schulen, sozialen Einrichtungen, Jugendzentren oder der Erwachsenenbildung ist Theaterpädagogik oft der erste Kontakt zur Kunst – als körperlich-emotionale Erfahrung und als Möglichkeit, sich selbst und andere neu zu erleben.


    5. Bildung als gemeinsamer Prozess – nicht als Einbahnstraße

    Dewey kritisierte autoritäre Lehrformen und plädierte für eine pädagogische Beziehung auf Augenhöhe. Theaterpädagog*innen arbeiten nicht „am“ Menschen, sondern mit ihm – in einem wechselseitigen Prozess, der Improvisation, Vertrauen und Offenheit erfordert.

    Theaterpädagogischer Bezug: In theaterpädagogischen Settings ist die Leitung keine allwissende Instanz, sondern Begleiterin, Impulsgeberin, manchmal auch Mitspieler*in. Die Gruppe gestaltet gemeinsam – und genau das ist zutiefst demokratische, lebendige Bildung.


    Fazit: Dewey spricht die Sprache der Theaterpädagogik

    Auch wenn Dewey selbst kein Theaterpädagoge war – seine Ideen durchdringen die Grundhaltung theaterpädagogischen Arbeitens.
    Erfahrung statt Belehrung. Partizipation statt Passivität. Kunst als gelebte Praxis. Lernen als Erleben und Gestalten.

    In einer Zeit, in der Bildung häufig auf Prüfungsformate und Kompetenzraster reduziert wird, bietet die Theaterpädagogik einen Erfahrungsraum, in dem Deweys Vision wieder lebendig wird: Eine Bildung, die den ganzen Menschen erreicht – und das Leben selbst in Szene setzt.